Glossar

Implantologie

 

Unter der Implantologie versteht man einen Teilbereich der Zahnheilkunde, der sich schwerpunktmäßig mit zahnärztlichen Implantaten, den Zahnimplantaten beschäftigt. Für Zahnärzte oder auf Kieferchirurgie spezialisierte Ärzte, Kieferchirurgen, die sich vorwiegend mit Implantologie befassen, ist die inoffizielle Bezeichnung Implantologe gebräuchlich. Man kann Zahnimplantate als künstliche Zahnwurzeln bezeichnen, wenn sie anstelle fehlender Zähne in den Kieferknochen eingepflanzt werden. (Weiterführende Informationen siehe unter: Zahnimplantate)

Inhaltsverzeichnis [Verbergen]

1 Die Implantate

2 Einzelzahnersatz

3 Nichtanlage von Zähnen

4 Freiendsituation

5 Totalersatz - Zahnloser Kiefer

6 Stark reduzierte Bezahnung

7 Größere Lücken

8 Besonderheiten - Vor & Nachteile von Implantaten

9 Ablauf einer Implantation

10 Siehe auch

11 Weblinks

 

Die Implantate 

Nach langen Jahrzehnten mit verschiedenen, heute zum Teil naiv anmutenden Implantatformen aus der Vorkriegszeit, haben sich praktisch die sogenannten rotationssymmetrischen Implantate durchgesetzt. Das bedeutet, dass die Implantat-Körper im Querschnitt Kreis rund sind und sich mit Bohrern (z.B. Kanonenbohrern) in den Kieferknochen einsetzen lassen. Dieses chirurgische Vorgehen ist einfach und schnell und daher von jedem, auch verhältnismäßig ungeübten, Zahnarzt (Implantologen) in seiner Praxis leicht durchzuführen. Andere nicht-rotationssymmetrische Implantatformen erfordern eine größere chirurgische Erfahrung und belasten daher auch den Patienten. Dies bedeuted nicht, dass deren Langzeiterfolg vergleichbar schlechter wäre. Durch ihre nicht-zylindrischen Formen bieten sich aber Vorteile, die zusätzliche chirurgische Maßnahmen überflüssig machen.

Unter den Schraubimplantaten unterscheidet man zwei große Gruppen, je nachdem, wie stark die Schraube spitz zu läuft. Aber auch die Zahl und Art der Gewinde ist je nach Hersteller sehr unterschiedlich. Die Schraubimplantate haben den Vorteil, dass sie sich durch das Schraubgewinde sofort im Knochen "festsetzen" (primäre Stabilität). Dies hat eine vorteilhaft verkürzte Einheilzeit zur Folge, weil die Menge an nachzuwachsendem Knochen gering ist.

Da es etwa 80 größere Hersteller und über 200-300 unterschiedliche Implantatformen weltweit gibt, ist es schwierig, von "dem" Implantat zu sprechen.

Historisch gesehen gab es außer den aktuellen schrauben-/wurzelförmigen und zylindrischen Implantaten noch diverse andere Formen und Typen. Die meisten dieser Formen aber haben sich in der Praxis nicht bewährt. Dies gilt insbesondere für die sogenannten subperiostalen Implantate, die möglichst großflächig unter der Schleimhaut direkt dem Knochen aufliegen. Sie wurden vor allem bei hochgradigem Knochenschwund eingesetzt, weil der Kieferknochen für Zylinder- oder Extensionsimplantate zu flach oder zu schmal war. Leider führt die bloße Auflagerung des flachen subperiostalen Implantates unter das Zahnfleisch (respektive die Knochenhaut=periost) oft zu großflächigen Entzündungen mit z.T. erheblichen ausgedehnten Knocheneinschmelzungen, weil ein wirksamer Infektionsschutz wie bei osseointegrierten im Knochenverbund stehenden Implantatkörpern durch bakteriendichten Abschluss fehlt.

Obwohl es in den USA große Erfolge bei subperiostalen Implantaten (C.Mish: über 95% 5-Jahres-Liegedauer bei einseitigen Unterkieferimplantaten) gibt, ist deren wissenschaftliche Entwicklung in Deutschland nicht weiter vorangetrieben worden. Der Grund liegt im wesentlichen darin, dass die Erkenntnisse der Knochenbiologie im Hinblick auf die zuverlässige Regeneration dieses Hartgewebes die Verwendung von eigentlich für das vorliegende knappe Knochenangebot zu großen Zylinderimplantaten durch geeignete chirurgische Maßnahmen die subperiostalen Implantate heute überflüssig macht.

Standard moderner Zahn-Implantate ist die Herstellung aus Reintitan im Gegensatz zur Orthopädie, die Titanlegierungen verwendet. Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass Titan sich biologisch neutral (bioinert) verhält und keine allergischen oder Fremdkörperreaktionen auslöst. Es stellte neben seiner mechanischen Festigkeit bei dem Knochen-ähnlichen Elastizitätsmodul damit das ideale Material für das stützende Verbleiben im Knochen dar. Jahrzehntelange positive Erfahrung mit Titan hat man so im Bereich der Orthopädie beim Hüft- und Kniegelenksersatz machen können.

Die Eigenschaft des Titans, mit Sauerstoff eine schützende Oxidschicht auf der Oberfläche zu bilden, ist die Ursache für sein bioinertes Verhalten und damit seine besonders gute Verträglichkeit. Die biologischen Eigenschaften des Knochens auf diese Verbindung führen dazu, dass er eine direkte kristallographische Verbindung mit dem Titanoxid eingeht. Man nennt dies Osseointegration.

Weitere Voraussetzung für diesen biologischen Prozess ist die Anrauhung der Titanoberfläche. Zu Beginn (1976 Schröder, Bern) wurde dies durch Aufspritzen ("additives Verfahren") von Titanpulver unter Argon und Hochtemperatur erreicht (Titan-Plasma-Spray "TPS"). Dieses Verfahren ist verhältnismäßig teuer, sodass viele Hersteller seit ca. 10 Jahren auf das billigere Säure-Ätz-Verfahren ("acid etching" oder Kombinationen davon, genannt "SLA") durch ein Gemisch von Salzsäure und Schwefelsäure zurückgriffen. Dies ist in der Methode der Oberflächen-Aufrauhung das sogenannte "subtraktive" Verfahren, weil es von der Implantatoberfläche eine Schicht abätzt.

Gegenwärtig laufen zahlreiche Untersuchungen darüber, ob diese subtraktive Methode der Aufrauhung der hervorragenden additiven TPS Methode gleichwertig oder sogar überlegen gegenübersteht. Ziel ist in beiden Fällen die Anhaftung der Knochenzellen (osteoblasten) an die Oberfläche des aufgerauhten Implantatkörpers, unabhängig von dessen äußerer Formgestaltung (Zylinder, Schraube, Blatt oder Disk). In diese Beurteilung sind aber auch Marketing-Interessen der Hersteller im Hinblick auf ihre "unique selling proposition", kurz USP, deutlich eingelagert. Da beide Methoden unstreitig eine für medizinische Verhältnisse äußerst hohe Erfolgsquote ( < 95 Prozent 5-Jahresverweildauer) haben, ist dies nicht von klinischer Bedeutung für den Patienten.

Die früher verwendeten reinen Keramik-Implantate zeichneten sich ebenfalls durch ein hervorragendes Einwachsen aus. Jedoch traten sehr häufig Brüche auf, da die Keramik als solche spröde (höheres e-modul) und deutlich bruchgefährdet ist. Knochen als biologisches Gewebe unterliegt mehr oder weniger (je nach Belastung) deutlichen Biegungen, die Keramiken nicht mitmachen. Daher hat man diese Materialgruppe weitgehend verlassen. Unter besonderen Umständen zieht sich der Knochen bei Implantaten in der Oberkieferfront zum Ersatz von Schneidezähnen zurück, sodass das dunklere Titanimplantat kosmetisch ungünstig auffällt. Ein Hersteller besann sich auf weiße Keramik in Form von Zirkon. Hierbei wirkt sich der Rückzug des Knochens kosmetisch nicht ganz so negativ aus. Die biologischen Gründe für den Knochenrückzug sind damit nicht beeinflusst.


Jedoch versucht man, die guten Erfahrungen mit Keramiken bei der Knocheneinheilung durch Beschichtung der Implantate mit knochenverwandten Stoffen (künstlichem Knochenmineral, d.h. Hydroxylapatit) oder TCP (Tricalziumphosphat) zu verbessern. Diese Versuche zeigten keinen Vorteil im Hinblick auf eine beschleunigte Osseointegration. Im Gegenteil führte das Hydroxylapatit zu Einschmelzungen am Knochenlager mit folgendem Implantatverlust. Auch Tricalziumphosphatbeschichtungen brachten im Hinblick auf schnellere "Einheilung" keine Vorteile gegenüber der reinen Titanoberfläche.

Neuere Ansätze fügen auf die Oberfläche auch Eiweiße (Proteine) ein, die die Knochenbildung am Implantat anregen und fördern sollen. Ob diese Versuche sich letztlich durchsetzen und ob sie eine Beschleunigung der Osseointegration bewirken, muss abgewartet werden. Letztlich gibt es jedoch bei der inzwischen zu beobachtenden Erfolgsquote von durchweg über 95% der gängigsten Implantattypen ohne künstliche Mineral- oder Proteinauflagerung kaum noch etwas zu verbessern. Die Ursachen der restlichen 3-4% Verlust lassen sich wissenschaftlich nicht auf die Oberflächengestaltung oder die Form des Implantates zurückführen. Auch die noch ungeklärte Gesamtwirkung dieser speziellen Proteine (Zytokine) auf andere Bereiche der Biologie des Organismus setzt ein deutliches Fragezeichen an diese Versuche, weil es erste Hinweise auf fatale Leberschäden gibt. Die hier verwendeten Zytokine, vor allem das BMP 2 haben keineswegs nur eine spezielle knochenfördernde Wirkung, sondern wirken an anderer Stelle als Auslöser von gesteuertem Zelluntergang (Apoptose). Deren Wirkung wird vor allem durch den Einfluss der Blutverdünnung durch Heparin noch deutlich (20-fach) verstärkt.

Alle Implantate müssen eine Zertifizierung der Gesundheitsbehörden als sichere Medizinprodukte (CE- oder FDA-Zulassung) besitzen.

 

Einzelzahnersatz

Beim Einzelzahnersatz müssen die Nachbarzähne nicht beschliffen werden, wie das bei der herkömmlichen Methode, die Zahnlücke durch eine Brücke zu schließen, der Fall ist. Das Zahnfleisch legt sich bei einer optimalen Ausgangssituation im harmonischen Verlauf an die Krone und nichts deutet mehr auf den Zahnverlust hin. Es ist allerdings sehr oft der Fall, dass durch chirurgische Eingriffe ein sogenanntes Weichgewebsmanagement durchgeführt werden muss, um einen ästhetischen Übergang von Zahn zu Zahnfleisch zu erreichen - vor allem im sichtbaren Frontzahnbereich.

ca. 10-20% aller Implantatfälle

unfallbedingt, durch Parodontose (Zahnfleischerkrankungen) oder Karies verlorengegangen sind

unterschieden nach Vorgehensweise

Sofortimplantat, in gleichen Sitzung eingebracht wird

Spätimplantat, nach Knochenheilung implantiert

 

Nichtanlage von Zähnen 

Wenn beispielsweise bei einem Jugendlichen von Geburt an kein Backenzahn angelegt ist, kann mit einer zeitlich abgestimmten Methode ein Implantat eingesetzt werden: Nach abgeschlossenem Kieferwachstum und kieferorthopädischer Vorbehandlung werden Einzelimplanate eingesetzt. Dadurch bleiben die Nachbarzähne in ihrer Natürlichkeit unversehrt.

 

Freiendsituation 

Brücke (fester Zahnersatz) ist nicht möglich

Möglichkeiten der Implantatversorgung entsprechen denen der Lückenversorgung

 

Totalersatz - Zahnloser Kiefer 

Viele Prothesenträger klagen über schlechten Sitz oder schmerzhafte Druckstellen. Diese Probleme lösen Haftmittel oder mechanische Hilfen oft nur vorübergehend und nicht zufriedenstellend.

Implantate können da Abhilfe schaffen. So kann der Tragekomfort mit der Anzahl der Implantate erheblich gesteigert werden, bis hin zu einer rein auf (meist sechs) Implantaten abgestützten Prothese.

 

Ziel ist es, den Halt einer Prothese zu verbessern  

häufigsten im zahnlosen Unterkiefer (min. 2, besser 4 Implantate)

Oberkiefer aufgrund der weicheren Knochenstruktur mindestens 4 Implantate

meist über Stegverbindung miteinander verbunden

 

 

Stark reduzierte Bezahnung 

Vermehrung der Pfeiler, auf die Zahnersatz abgestützt wird

Möglichkeit, durch viele Implantate einen festen, d.h. nicht herausnehmbaren Zahnersatz einzusetzen teils wird Zahl der Implantate limitiert (Kosten, nicht ausreichendes Knochenangebot) feste prothetische Versorgung nicht möglich = Lösung abnehmbare Brücke ruht auf Pfeilern (Zähne und Implantate)

 

Größere Lücken 

mehr als ein Zahn in direkter Nachbarschaft fehlt, Möglichkeiten:

Einzelzahnersatz

1:1 durch Einzelzahnimplantate ersetzt und mit Kronen versorgt (fester Zahnersatz)

Implantatgetragene Brücke

mindestens 2 Implantate = Brückenpfeiler, um die mehr als 2 fehlenden Zähne zu ersetzen (fester Zahnersatz)

Hybrid-Brücke.

Implantat und natürlicher Zahn gemeinsam als Pfeiler, um Zähne zu ersetzen (fester Zahnersatz)

 

Besonderheiten - Vor & Nachteile von Implantaten 

Vorteile

verbesserte Kaukraft, verbessertes Sprechen / Phonetik

verringerter, oft vollständig aufgehaltener Knochenabbau, verbesserter Halt der Prothese

verringerter Druck auf die Schleimhaut ,Verbesserung der Ästhetik und Lebensqualität

kein beschleifen der Nachbarzähne nötig = schonen des Restzahnbestandes

ermöglichen festen Prothesenhalt

Stabilisierung Totaler Prothesen

schützend vor Knochenabbau

bilden mit Knochen einen sicheren Verbund (Osseointegration)

gelten als sicherer und dauerhafter ZE

Nachteil

Implantatlockerung/ -verlust

kostenintensiv à Chirurgie= Privatleistung

operativer Eingriff - meist örtliche Betäubung

eventuelle Nervenverletzung

 

Ablauf einer Implantation 

Eine zahnärztliche Implantation wird bei örtlicher Betäubung ambulant durchgeführt und verläuft schmerzfrei. An der geplanten Stelle wird die Schleimhaut zur Seite gelegt und das Implantatbett stufenweise nach individuell festgelegter Länge und Durchmesser aufbereitet. Nach dem Einbringen wird das Zahnfleisch wieder vernäht. Bei guter Nachsorge (Kühle Umschläge, Medikamente) lassen sich Komplikationen (Schwellungen usw.) weitgehend verhindern. Nach zehn Tagen ist die Wundheilung meist abgeschlossen, eine unbelastete Einheilphase, abhängig von der Knochenqualität, schließt sich an. Diese beträgt durchschnittlich 2-3 Monate im Unterkiefer und 5-6 Monate im Oberkiefer, da die Knochendichte von Unter- und Oberkiefer unterschiedlich ist.

Für diese Übergangszeit wird ein provisorischer Zahnersatz eingesetzt. In Ausnahmefällen kann das Implantat auch schon früher belastet werden. Dies ist jedoch abhängig von der Knochenqualität und dem geplanten Zahnersatz.

 

Derzeit streiten sich Implantologen, ob eine Einheilphase von Nöten ist. Moderne Systeme ermöglichen eine sofortige Belastung. Dabei muss eine ausreichende Knochendichte vorhanden sein. Mit einem minimal invasiven Vorgehen wird das knöcherne Implantatbett gefräst, ohne die Schleimhaut aufzuklappen. Orientierungshilfe bietet eine Bohrschablone. Das Sofortimplantat, welches ein selbstschneidendes Gewinde hat, wird mit Hilfe eines Drehmomentschlüsseles eingebracht. 55 Ncm sollen dabei erreicht werden, um die nötige Primärstabilität zu erreichen. Durch die einfache Handhabung ist ein schnelles Vorgehen intraoperativ möglich und damit verringern sich die Beschwerden nach der OP erheblich. Außerdem ist das Sofortimplantat erheblich billiger und die prothetische Versorgung kann sofort erfolgen.

Cranio Mandibuläre Dysfunktion

 


 

Terminologie

In Deutschland hat sich der Begriff „Kraniomandibuläre Dysfunktion (CMD) eingebürgert, ein Sammelname für diverse muskuloskelettale Beschwerden im Kausystem. In der Schweiz wird der Begriff „Myoarthropathie“ bevorzugt, im englischen Sprachraum "Temporomandibular Disorders" (TMDs). Die alte Bezeichnung „Costen-Syndrom“ ist überholt. Hauptansprechpartner bei diesem Beschwerdebild ist der Zahnarzt, betroffen sind aber viele medizinische Fachrichtungen.

 

Definition 

Unter dem Begriff „Kraniomandibuläre Dysfunktion“ (CMD) werden alle schmerzhaften und nicht-schmerzhaften Beschwerden zusammengefasst, die sich auf strukturelle, funktionelle, biochemische und psychische Fehlregulation der Muskel*- und/oder Kiefergelenkfunktion beziehen (* vor allem Mundöffner- und Mundschließermuskeln). Es gibt verschiedene Klassifikationssysteme, wobei international die „Research Diagnostic Criteria for Temporomandibular Disorders“ (RDC/TMD) aus dem Jahre 1992 die größte internationale Verbreitung gefunden haben. Demnach unterscheidet man folgende 2 Bereiche (Achsen) ACHSE I: Somatische Diagnosen

Bereich I: Schmerzhafte Beschwerden im Bereich der Kaumuskulatur

• Ia: Myofaszialer Schmerz • Ib: Myofaszialer Schmerz mit eingeschränkter Kieferöffnung´

Bereich II: Anteriore Verlagerung des Discus articularis

• IIa: Anteriore Diskusverlagerung mit Reposition bei Kieferöffnung • IIb: Anteriore Diskusverlagerung ohne Reposition bei Kieferöffnung, mit eingeschränkter Kieferöffnung. • IIc: Anteriore Diskusverlagerung ohne Reposition bei Kieferöffnung, ohne eingeschränkte Kieferöffnung.

Bereich III: Arthralgie, aktivierte Arthrose, Arthrose • IIIa: Arthralgie • IIIb.: aktivierte Arthrose vom Kiefergelenk • IIIc: Arthrose des Kiefergelenks

ACHSE II: Schmerzbezogene psychosoziale Diagnostik • Schmerzbezogene Beeinträchtigungen täglicher Aktivitäten • Depressive Verstimmung • Unspezifische somatische Symptome

 

Epidemiologie 

Die Häufigkeit der CMD liegt bei etwa 8% der gesamten Bevölkerung, wobei nur rund 3% wegen dieser Beschwerden behandlungsbedürftig sind. Im Kleinkindalter sind CMD-Symptome selten anzutreffen, die Häufigkeit steigt aber bis zur Pubertät an. Frauen im gebärfähigen Alter sind wie bei anderen Schmerzerkrankungen deutlich häufiger betroffen als Männer. Nach den Wechseljahren lassen die Beschwerden häufig nach und im Alter ist die CMD relativ selten.

 

Symptomatik 

Eine Vielzahl von Symptomen kann die Diagnose schwierig machen. Häufig schmerzen die Kiefermuskulatur und/oder die Kiefergelenke beim Kauen. Andere Symptome können sein: • Eingeschränkte Kieferöffnung. • Knacken oder Reiben der Kiefergelenke beim Öffnen oder Schließen der Kiefer • Ausstrahlende Schmerzen in Mund, Gesicht, Kopf-, Nacken, Schulter und/oder Rücken, Hals-Wirbelsäulen-Schulterprobleme, eingeschränkte Kopfdrehung, Kopfschmerzen• Plötzlich auftretende Probleme mit der Passung der Zähne aufeinander. Es können aber auch unangenehme Ohrenschmerzen ein Symptom sein.

 

Pathogenese 

Da in den meisten Fällen die Ursachen unklar sind, wird eine multifaktorielle Genese vermutet. Prädisponierende, auslösende und unterhaltende Faktoren umfassen biologische, psychische und soziale Elemente. Anbei sind einige davon aufgelistet, wobei sich immer neue Aspekte in Klinik und Forschung ergeben werden:

Genetik

Hormone

Entwicklungsstörungen der Kiefer

Haltungsstörungen

Emotionaler Stress

Frühere Schmerzerfahrungen

Hypervigilanz durch Sympathikusaktivierung

Makrotrauma durch Unfälle

Mikrotrauma durch Störungen der Bisslage

Zähneknirschen

Schlafstörungen, z.B. beim Obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom

Reduzierung der Aktivität des Deszendierenden Inhibitorischen Nozizeptiven Systems

Katastrophisieren

Depression

Posttraumatische Belastungsstörung

 

Diagnose 

Zur Diagnose der CMD wird aktuell folgende Vorgehensweise empfohlen:

1. Ein ausführliches Arztgespräch mit Einsatz standardisierter Fragebögen.

2. Eine somatische Untersuchung von Kieferöffnung, Kaumuskulatur und Kiefergelenken (Funktionsstatus).

3. Eine Röntgenaufnahme des gesamten Kiefers (Panoramaschichtaufnahme) zum Ausschluss zahnärztlicher und kieferchirurgischer Krankheitsursachen.

4. Einer oder mehrere schmerzpsychologische Filterfragebogen zur Früherkennung von psychosozialen Beeinträchtigungen.

Bei komplexen Krankheitsbildern können aufwändige apparative, radiologische und/oder psychologische Verfahren in Diagnostik und Therapie Anwendung finden sowie andere Fachrichtungen hinzugezogen werden.

 

Differentialdiagnostik

Aufgrund einer Vielzahl von Schmerzursachen im Kopfbereich ist bei unklarer Diagnose eine fachübergreifende Diagnostik sinnvoll. Auszuschließen sind Erkrankungen aus den verschiedensten medizinischen Fachgebieten und eine intensive konsiliarische Beurteilung ist dann unerlässlich.

 

Therapie 

Grundgedanke bei der Behandlung von CMD ist eine schonende und reversible Vorgehensweise. Dabei werden wissenschaftlich anerkannte Therapiekonzepte je nach Schweregrad eingesetzt werden und individuell auf den Patienten abgestimmt.

1. Eine Aufklärung des Patienten über die Krankheitszusammenhänge und eine korrekte Diagnosestellung ist der erste und wichtigste Schritt für eine positive Beeinflussung des Krankheitsgeschehens. Reibegeräusche und Knacken der Kiefergelenke ohne andere Symptome sind z.B. wenig Anlass zur Sorge.

2. Hinweise zur Selbstbehandlung, wie weiche Nahrung, Dehnübungen, Wärme- oder Kälteanwendungen, Entspannungsübungen und/oder Stressmanagement, helfen in sehr vielen Fällen.

3. Eine Okklusionsschiene (Aufbissbehelf) wird vom Zahnarzt häufig eingesetzt und führt meistens zu einer Entspannung der Kau- und Kopfmuskulatur sowie zu einer Entlastung der Kiefergelenke, hilft aber auf Dauer nur nach umfangreicher Funktionsanalyse und -therapie.

4. Physiotherapie hilft in vielen Fällen, muskuläre Verspannungen im ganzen Körper zu reduzieren und trägt so zum Behandlungserfolg bei.

5. Transkutane Elektrische Nervstimulation (TENS) hilft in den meisten Fällen durch eine Entspannung der Muskulatur und eine Reduktion der Schmerzen.

6. Manchmal müssen Schmerzmedikamente eingenommen werden, um eine Chronifizierung des Schmerzgeschehens Einhalt zu gebieten und die Lebensqualität zu verbessern.

7. Es wird diskutiert ob Triggerpunkt-Infiltrationen der Muskulatur mit verschiedenen Substanzen sinnvoll sind und dauerhaft Linderung bringen können.

8. Umfangreiche Zahnsanierungen, kieferorthopädische oder chirurgische Maßnahmen sollten nur bei strengster Indikation Anwendung finden.

 

Prognose 

In den allermeisten Fällen handelt es sich bei der CMD um eine gutartige Erkrankung mit hohem Selbstheilungspotential. Bei etwa 10% der Erkrankten führen verschiedenste Faktoren zu einer Chronifizierung des Schmerzgeschehens mit ausgeprägten psychosozialen Beeinträchtigungen, worauf hin eine intensive Diagnostik, Therapie und Betreuung unerlässlich ist.

 

Verbissene Orthopäden

 

Der Hintergrund dieser Website: Es gibt ganz direkte Querverbindungen zwischen der gestörten Funktion der Kiefergelenke und Störungen im gesamten Bewegungsapparat. Hierfür gibt es viele Namen, man spricht vom "cranio-sakralen" Syndrom, stomatognathen Störungen, die Amerikaner reden vom "temporo-mandibulären" Gelenk (TMJ) und der bekannteste Name hier, im deutschsprachigen Raum, lautet "cranio-mandibuläre-Dysfunktion" (CMD). Nun liegt die Angelegenheit im Grenzgebiet zwischen der Zahnheilkunde und der Orthopädie, sozusagen im Niemandsland. Die Orthopäden finden alles, was im Mund liegt, unerfreulich und unsteril, die Zahnärzte fühlen sich wie im feindlichen Ausland, wenn sie etwas außerhalb des Mundes zu tun haben. Hinterhältigerweise hat die Sache erhebliche Auswirkungen. Der Slogan "an jedem Zahn hängt ein ganzer Mensch" umreißt nur schemenhaft die Problematik. Wie später noch in dieser Website gezeigt werden wird, haben die Kiefergelenke eine ausgesprochen zentrale Funktion. Störungen dieser Funktion können sich auf den ganzen Körper auswirken.

 

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